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4. Cister-Symposium
25.-27. September 2009

Bericht von Jürgen Schloeßer

 

Das Symposium fand in der Zeit von Freitag bis Sonntag, dem 25.-27. September 2009 im Hotel Thüringen in Suhl statt. Insgesamt vierundvierzig Spieler, Sammler, Forscher, Sänger und Instrumentenbauer fanden sich ein. Vor zwei Jahren (vgl. Lauten-Info 4/07) hieß die Veranstaltung „Waldzither-symposium“ und fand auf Einladung von Martina Rosenberger statt. Diesmal hatten die Musiklehrerin Kerstin Mucha und die Museumspäda-gogin Doris Eckhardt die Organisation übernommen. Schirmherr und Sponsor war die Leitung des Waffenmuseums der Stadt Suhl. 

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Schon am Vorabend fand ein öffentlicher Liederabend mit Zisterbeglei-tung im „Haus Philharmonie“ statt. Dr. Uli Otto, ein Forscher des historischen Liedes und das Duo „Janna“ (Hanna Flock/Joachim Rosenbrück) trugen Lieder des Vormärz und der Revolution von 1848 vor.

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Am Freitag, dem Tag der Anreise, wurde das Symposium in den Räumen des Waffenmuseums, einem restaurierten Fachwerkbau, von Doris Eckhardt eröffnet. Kerstin Mucha überraschte die Teilnehmer mit ihren 15 Zisterschülern, die auf ihren Instrumenten das Bergmannslied „Glück auf! Der Steiger kommt“ spielten. Die etwa 12-jährigen Kinder hatten in der Zeit seit dem letzten Spielertreffen viel dazugelernt.

 

Eine Führung durch das Museum durch Doris Eckhardt half den Zusammenhang zwischen Bergbau, Waffenhandwerk, Waldzither und der Stadt Suhl besser zu verstehen. Der Silberbergbau hatte Wohlstand und Kultur gebracht. Die Zister war in allen Größen das Symbol Thüringens. Die Büchsenmacher verstanden viel von Hölzern, weil sie u.a. die Gewehrschäfte herzustellen hatten. Nach dem Niedergang ihres Gewerbes begannen sie dann in Suhl erfolgreich, Musikinstrumente zu bauen. 

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Um 20 Uhr trafen sich die Teilnehmer zum Musikantenstammtisch beim „Pizza-Paule". Es war ein gemütliches, enges Volkstumsgemenge mit Liedern vom Mittelalter-Markt, Shanties, plattdeutschen Liedern. „Ja so sans, die Preißen“, rief ein Bayer. Gespielt wurden Waldzithern, Cithrinchen, anders gestimmte Zistern, Mundharmonikas, Dudelsack, Doppelflöte und Harmonika. Und überall war die Waldzither mittendrin. Es war die beste Art, sich wieder zu begrüßen oder sich neu kennen zu lernen.

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Der Samstag begann im Hotel Thüringen mit der Erläuterung des Kursprogramms durch die beiden Organisatorinnen. Das Hotel hatte kostenlos mehrere Seminarräume zur Verfügung gestellt und für die Unterbringung und Halbpension allen Teilnehmern Sonderpreise eingeräumt. Anschließend konnten sich die Teilnehmer auf drei Spielgruppen aufteilen. 

 

Es gab „Fingerpicking mit Metallpicks“ bei Jean Pierre van den Boom aus Hamburg, „Liedbegleitung ohne Noten“ bei Carl Matthias Scheel aus Mühlheim, und es gab „Spielartenvielfalt auf der Zister“ bei Joachim Rosenbrück aus Heyda, dem Verfasser der modernen Schule für Waldzither.

 

Ich selbst habe zunächst beim Fingerpicking hospitiert. Alles begann mit - auch für Lautenisten interessanten - einfachen Grundrhythmen auf den Leersaiten. Dann kamen Tonleiterübungen auf den Basschören mit gleichzeitigem Fingerpicking auf den Melodiechören (Banjo-artiger Effekt). Schließlich waren zistertypische Tonfolgen auf dem 1. Chor mit dem Zeigefinger und auf dem 2. Chor mit dem Daumen zu spielen. Gewöhnungsbedürftig! Das Spielen mit Picks und Bottlenecks habe ich mir nur angehört. Es klang manchmal wie Banjo oder Bluegrass-Musik. 

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J. Rosenbrück brachte mir dann „Tschaps“ bei. Das sind Plektrumschläge auf gedämpften Saiten. Die Zister hat so ihr eigenes Schlagzeug. Die Rhythmen waren mitreißend. Den Fünf-Viertel-Takt lernt man am besten durch Mitsprechen der Silben „Panama, Panama, Cuba“.

 

Steffi Thoß hatte inzwischen auf dem Flur ihren Kramladen aufgebaut mit Zubehör aller Art für Gitarristen und „Cisteros“: Picks, Kapos (sogar gebogene für gewölbte Griffbretter), Gurte, Stimmgeräte, Pultleuchten, CDs, Schlipse mit Noten, Saiten, Noten, Literatur u.s.w. ... Prunkstück war eine von ihr selbst gebaute Waldzither, zu haben für 700 Euro. 

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Um 11 Uhr begann der Vortrag von Wolfgang Meyer „Das Tabulatur-Spiel auf Zupfinstrumenten“. Wolfgang stellte alle Arten der Tabulaturen dar. Es war erstaunlich, wie viele Zisterspieler nur nach dem Gehör spielen. Tabulaturen kannten sie nicht. Am Ende des Vortrags waren sie von deren Nutzen überzeugt, weil man so verschiedene Zupfinstrumente in verschiedenen Stimmungen vom Blatt spielen kann. Beispiele trug Wolfgang auf historischen Zistern und auf einer „English Guittar“ vor. 

 

Am Nachmittag bauten die Instrumentenbauer ihre Tische auf Es stellten aus: Christian Sandner, Erlbach; V. Riedel; Steffi Thoß, Großmehrla; Tobias Kaul von der Firma Guriema, Markneukirchen; Hilmar Günther, Suhl; Wolfgang Meyer, Bischofswerda. Interessant war die Neuentwicklung einer Waldzither von Tobias Kaul ohne Schallloch auf der Decke, aber mit eingebautem Tonabnehmer.

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Und dann der Höhepunkt! Am Samstag fand um 19 Uhr im Saal des Hotels Thüringen das öffentliche Konzert der Teilnehmer statt. Anwesend waren über hundert Zuhörer, die allesamt zweieinhalb Stunden ohne Pause begeistert aushielten. Begrüßt wurden die Anwesenden vom Bürgermeister der Stadt Suhl, den Repräsentanten des Waffenmuseums, von Frau Sprenger vom Thüringischen Kultusministerium und von Prof. Dr. Michel, dem Leiter des Studiengangs Musikinstrumentenbau der Fachhochschule Markneukirchen. Es folgte ein buntes Konzert mit verschiedenen Gruppen, Solisten und Instrumenten. 

 

Die Waldzitherkinder von Kerstin Mucha begannen. U. a. spielten sie das Bach‘sche Choralvorspiel zu „Jesus bleibet meine Freude“. Das Duo Feinendegen/Schmidt (nennt sich neuerdings „Los Cisternos“) trat auf, die „Waldolinos“ aus Norddeutschland, Jean Pierre van den Boom, Midlifecrisis (Dr. Uli Otto), das Duo Janna, die Thüringer Spielleut‘ und zahlreiche Einzelspieler. Es klang wieder nach Mittelalter­Markt, plattdeutsch, irisch - aber auch historisch. Moderation: Carl-Matthias Scheel. Die Komponistin und Sängerin Martina Rosenberger trug zwei ihrer besinnlichen Lieder vor. Wolfgang Meyer (Barocklaute) und ich selbst spielten zusammen zwei Sätze aus der Suite für Cistern in A von Giovanni Battista Marella (um 1760).

 

Der Sonntag begann wieder mit Anleitungen in Gruppen und mit Themen wie am Vortag. Ich habe mich Ludmillus, dem Barden (C.- M. Scheel) angeschlossen. Es ging wieder um Anschlagstechniken. Als wir den La-Habanera- und den Sirtaki-Schlag konnten, brach Spielleidenschaft auf der „German Bouzouki“ aus. 

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Der Sonntag brachte das Ende des Spielertreffens gegen Mittag mit dem Vortrag von Prof. Dr. Michel über „Die Tabulatur des Elias Walter - das Cister­spiel im 17. Jahrhundert in Thüringen“. Es handelte sich um eine Art Gästebuch, das Elias Wagner "Stammbuch“ nannte. Darin sind außer den Widmungen seiner Freunde und Gäste auch noch 50 Tabulaturen zu seinem persönlichen Gebrauch enthalten. Dies zeigt, so Prof. Michel, dass die Zister in Thüringen sehr wohl schon früh heimisch war; ob es aber eine ununterbrochene Tradition gegeben hat, wissen wir nicht genau.

 

Dem Vortrag folgte eine ausgesprochen aufschlussreiche Diskussion. Dabei stellte sich heraus, dass viele Anregungen, ja sogar Dissertationen, zur Erforschung der Geschichte der Zister dem Fundus von Wolfgang Meyer zu verdanken sind. 

 

Die Diskussion erstreckte sich auf Fragen wie: Soll der Name des Instruments „Waldzither“ bleiben oder soll es in Zukunft „Halszither“ heißen (wie in der Schweiz), im Unterschied zur alpenländischen Kastenzither? Sollen wir das Instrument mit „C“ oder mit „Z“ schreiben? Soll Suhl das Zentrum der Spielertreffen bleiben? Das Instrument und seine Spieler sind schließlich in ganz Deutschland verbreitet. Im Jahre 2016, dem Lutherjahr, werden voraussichtlich die Städte Wittenberg oder Eisenach die Zister für sich beanspruchen, weil Luther sie angeblich spielen konnte. Wo kann man die portugiesische Fächermechanik kostengünstig produzieren lassen? Einige Spieler finden sie praktischer als die Wirbelmechanik vieler Waldzithern. Tobias Kaul bietet Fächer aus einem kleinen Vorrat an. Soll das nächste Spielertreffen „Zisterfestival“ heißen?

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Mein persönliches Fazit: Die Zister ist nach langem Dornröschenschlaf in unserer modernen Klangwelt aufgewacht. Sie ist in der Lage, unterhaltende Musik und ernste Musik miteinander zu verbinden.

 

Veröffentlicht im Heft 1/ 2009 der „LAUTEN-INFO“

Mit freundlicher Genehmigung der deutschen Lautengesellschaft

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Weiterer Pressebericht zum Symposium

Böhm-Mechaniken
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