top of page

Cister-Symposien

Wie es zu den Symposien kam

von Martina Rosenberger

Wie kam es zu den Symposien? Das ist nicht in drei Sätzen zu beschreiben. Wie kommt man auf die Idee, ein Waldzithersymposium ins Leben zu rufen?

Ich hätte mir das nicht vornehmen oder ausmalen können, als ich im Alter von 17 Jahren meinen herzkranken Vater bat, mir das Spiel auf seiner Waldzither beizubringen; sonst würde nach seinem Tod  niemand wissen, was man damit anfangen könne. Drei Jahre später starb er und ich hörte auf zu spielen, es war einfach zu traurig.

Trotzdem versuchte ich immer wieder, mehr zu dem Instrument zu erfahren, zu dem es in den 1980ern nicht mal Saiten nachzubestellen gab, da die Musikgeschäfte den Aufwand scheuten, in der damaligen DDR bestellen zu müssen, wo noch Zubehör hergestellt wurde. Doch die Spuren liefen (telefonisch) immer ins Leere.

Erst als ich selbst Familie und Kinder hatte, nahm ich das Instrument wieder von der Wand, um mit meinen Kindern zu musizieren. Neue Saiten waren überfällig und nun (im Jahr 2000) gab es das Internet. Die Entdeckung, dass man nach der deutschen Wiedervereinigung nicht nur Saiten, sondern auch noch neue Instrumente kaufen konnte, trat eine Forschungsreise los, die ungeahnte Folgen haben sollte.

Auf der Suche nach einem Lehrer, der mich nicht mehr belächeln würde mit meinem exotischen Instrument, schrieb ich ungefähr jeden per E-Mail an, der den Begriff „Waldzither“ auf seiner Website hatte, bekam als Antwort jedoch regelmäßig, derjenige habe es auch nicht „richtig gelernt“. Die Forschungsstelle des Bezirks Schwaben zu regionaler Musik half mir mit der Kontaktadresse zu Dr. Josef Focht weiter, der mich wiederum zu dem Sammler Herbert Grünwald und zu Professor Andreas Michel vermittelte.

 

Diese waren beide sehr offen für meine Fragen, Dr. Michel lud mich direkt zu einem internationalen Zisternsymposium 2001 in Michaelstein im Ostharz ein. Dort traf ich nicht nur die wichtigsten Fachleute zur historischen Zister, ich bekam auch die historischen Zusammenhänge mit anderen europäischen Instrumenten gleich aus erster Hand zusammengefasst.

 

Ich hatte die handgeschriebenen Noten meines Vaters dabei, die ich Professor Michel nun persönlich zeigen konnte. Er war sehr erstaunt, denn es gab keine Aufzeichnungen darüber, dass auch in Westfalen Waldzither gespielt wurde, wo mein Vater herstammt.

 

Weil ich außer den Berichten meines Vaters keinerlei Unterlagen darüber hatte, wandte ich mich an die Dortmunder Zeitung mit einem Aufruf und der Suche nach Zeitzeugen aus den dreißiger Jahren. Diese Recherche „Waldzitherpuzzle 1“ erstreckte sich über das Jahr 2002 bis 2003.

Außerdem kamen zu meinen Kontakten, mit denen ich nun regelmäßigen E-Mail Austausch hatte, auch persönliche Begegnungen. Die Instrumentenbauer Tobias Kaul und Christian Sandner lernte ich auf der Musikmesse Frankfurt kennen, Herbert Grünwald packte mir alle seine gesammelten Waldzithern in Garching aus, Jochen Wiegandt übergab mir beim Bardentreff in Nürnberg eine Schachtel mit historischen Schnipseln aus Hamburg (daraus wurde später „Puzzle 2“), und in Markneukirchen erweiterte sich der Kreis noch mehr.

 

Dr. Michel verwies mich schließlich nach Suhl, wo 2003 im Waffenmuseum eine Ausstellung historischer Zistern stattfinden sollte. Mein Telefonkontakt dort war Doris Eckhardt, die von meiner Idee, dieser Ausstellung einen aktiven Workshop anzuschließen, hellauf begeistert war. Auch der damalige Museumsleiter Dr.  Müller war sofort bereit, sich darauf einzulassen. 

 

Alle Organisation zwischen uns dreien erfolgte ausschließlich über Telefon und E-Mail. Konzept, Flyer, eine Umfrage unter meinen Kontakten erarbeitete ich privat und die Planung nahm in Rücksprache mit dem Museum immer mehr Form an.

Zur Eröffnung der Instrumentenausstellung ein paar Wochen vor dem Symposium fuhr ich das erste Mal die 350 km nach Suhl, wo auch die letzten Details geklärt werden konnten und Dr. Müller die Schirmherr-schaft für das 1. Symposium übernahm.

 

Die Kontakte, mit denen ich schon längeren Briefwechsel hatte, trugen den Funken der Begeisterung weiter. So kamen im Herbst 2003 über 50 Teilnehmer aus ganz Deutschland zusammen, sogar mein Kontakt in der Schweiz, Marcel Renggli, hatte sich auf den weiten Weg gemacht. Steffen Blauwitz brachte seine Tontechnik mit, so konnte von Anfang an der vielseitige Klang des Konzerts dokumentiert werden. 

 

Aus dem Kreis der Teilnehmer erklärte sich Michael Mauhart bereit, die Website waldzither.de zu erstellen und zu betreuen, Andreas Meyer und Joachim Rosenbrück wollten moderne Waldzitherschulen erstellen. Ehrhardt Buscher erarbeitete eine Quintenmatrix und eine Grifftabelle für Waldzitherakkorde, in heutiger Fassung der „Waldzitherwerkzeugkasten“. 

 

In den ersten Jahren finanzierte ich weite Teile selbst, zahlte aus eigener Tasche Referenten, Doris Eckhardt engagierte sich sehr um Fördermittel, Dr. Michel half bei einem Instrumentenbaukurs, den ich beim zweiten Symposium mit Hilmar Günter realisieren konnte. 

 

Weitere begeisterte Teilnehmer engagierten sich in Folgejahren, ich hatte nun Freunde, die mir halfen. Jean-Pierre van dem Boom und Dr. Uli Otto initiierten die Kinderkonzerte. Norbert Feinendegen knüpfte an meine Waldzitherforschung an und findet bis heute immer noch wertvolle historische Details heraus. Stefan Schmidt übernahm die Koordination der Workshops. Carl-Matthias Scheel kümmerte sich um das Konzert der Teilnehmer in Planung und Moderation. Herbert Grünwald stellte seine Instrumenten-sammlung zur Verfügung. 

 

Im Zuge der nachfolgenden Symposien im Zweijahresrhythmus erweiterte sich meine Freundesliste noch um internationale Virtuosen wie Pedro Caldeira Cabral und Gregory Doc Rossi, die schließlich dank einer privaten Spende beide zum fünften Symposium kommen konnten.

 

Dennoch: die Verantwortung und Hauptarbeit blieb auf meinen Schultern - allein die Korrespondenzen um Sponsoren, Presse-, Fernseh- und Rundfunkberichterstattung füllten für jede Veranstaltung einen gesamten Leitzordner. Öffentliche Gelder konnte ich als Privatperson nicht beantragen und meine Familie wollte meine Energie zu Recht für sich haben. „Nebenbei“ war ich immer voll berufstätig in meinem eigenen Betrieb.

 

2014 gelang die Gründung des Vereins „Freunde und Förderer der Waldzither e.V.“ und ich konnte die Organisation der Symposien vertrauensvoll abgeben.

 

So war aus der Kopfentscheidung, das Instrument meines Vaters zu erlernen, ein Weg entstanden,  der zunächst aus dem Gefühl befeuert wurde, dieses (offenbar einzigartige) Wissen aus erster Hand fundiert dokumentieren zu wollen, um eine Lücke in der Überlieferung schließen zu können.

 

Doch hauptsächlich konnte diese mir zugeflogene Aufgabe nur gelingen, weil buchstäblich jeder, den ich dazu anschrieb, anrief oder besuchte, mir freundlich begegnete und die Idee unterstützte. Die Zusammenarbeit mit dem Waffenmuseum Suhl, insbesondere mit Doris Eckhardt, kam zum richtigen Zeitpunkt an einem Ort, der nicht nur eine eigene Geschichte zur Waldzither aufzuweisen hat, sondern auch deutschlandweit zentral gelegen ist.  Das Hotel Thüringen ergänzt (unter neuem Namen bis heute)  mit seinen Tagungsräumen das Konzept ideal.  

 

So fühlt sich jedes weitere Symposium nach wie vor an, als wäre es ein Heimkommen.

bottom of page